Die Nacht der Millionen – oder: meine erste Bereinigungssitzung

Für viele Außenstehende, vor allem für die Presse, ist sie der „große Showdown“: die Bereinigungssitzung zum Bundeshaushalt. Wir als Haushälter sitzen dabei bis tief in die Nacht (Diesmal ging es bis 2:53 Uhr…) über Bergen von Papier und Anträgen und stimmen dabei alle noch offenen Fragen zum Bundeshaushalt des kommenden Jahres ab. Zehn unvergessliche Stunden für uns Erbsenzähler der Nation.

Manch einer bezeichnet uns auch als die heimlichen Herrscher. Es ist zwar richtig, dass ein Großteil der Arbeit nicht im Plenum, sondern in den Ausschüssen stattfindet und das Etatrecht das Königsrechts ist. Die großen Etatposten sind jedoch schon weitgehend festgezurrt und die Koalition versucht all zu gerne, mit ihren Anträgen erst kurz vor der Abstimmung herauszurücken und so ihr Ding mit eigener Mehrheit kurz vor Schluss durchzuziehen. Quasi den ganzen Tag – auch noch während der Sitzung – kommen Berge von Änderungsanträgen zum Haushalt rein, die es zu bewerten gilt. Dass die Koalition selbst mit ihren eigenen Anträgen Probleme hat, konnte man am Tagesverlauf sehen: eigentlich sollte die Sitzung des Haushaltsausschusses um 12.30 Uhr starten, dann um 13.30 Uhr, dann um 14.30 Uhr und so weiter – die Koalition hatte noch eine Menge Beratungsbedarf. Los ging es dann schließlich um 16.30 Uhr…

Zum Glück haben wir neuerdings die Schuldenbremse im Grundgesetz – könnte man zumindest meinen. Die Regierung verstößt trotzdem dagegen:  Sämtliche Steuermehreinnahmen werden verausgabt.  Eigentlich sagt die Schuldenbremse aber, dass konjunkturelle Mehreinnahmen zur Schuldentilgung verwendet werden müssen, auch um Spielräume für die Zeiten des nächsten Konjunktureinbruch zu schaffen. Dass es Risiken für einen solchen Konjunktureinbruch gibt, kann in der gegenwärtigen Lage in Europa wohl nicht mehr geleugnet werden.

Dieses Finanzgebaren zeigt, wie abstrus die schwarz-gelben Steuersenkungen sind. Nach den Beschlüssen der Koalitionsspitzen gibt es zusätzliche Kosten: Unter anderem die zusätzliche Milliarde für Verkehrsinvestitionen, mit der Ramsauer versuchen wird, Länder im Bundesrat zu locken, für die Steuersenkungen zu stimmen. Dieses Gesetzt darf aber den Bundesrat nicht passieren, es widerspricht der Konsolidierung des deutschen Staatshaushaltes. In anderen Euro-Ländern wird unsere Bundeskanzlerin nicht müde, zur Einführung einer Schuldenbreme zu drängen. In ihrer eigenen Koalition aber kann sie keine entsprechende Politik durchsetzen.

Trotz steigender Steuereinnahmen werden im nächsten Jahr mehr Schulden aufgenommen als in diesem Jahr. Gleichzeitig wird – nur um die Koalition zusammenzuhalten – die Steuersenkung auf Pump finanziert. Sogar die eigenen Haushälter der Regierung sagen, dass die Neuverschuldung nächstes Jahr auf Grund dieser Steuergeschenke steigen kann.

Die FDP hat in der Bundestagswahl 2009 versprochen, dass wir ein Steuersystem bekommen, das einfach, niedrig und gerecht ist. Was heute einfach, niedrig und gerecht ist, das sind die Umfragewerte und Wahlergebnisse der FDP. Verzweifelt, wie sie ist, ruft die FDP nach einem Rettungspaket für ihre insolvente Partei. Und die Kanzlerin wirft um des Koalitionsfriedens willen mit Weihnachtsgeschenken an ihre kleinen Koalitionspartner um sich. Entscheidungen werden offensichtlich nicht nach seriöser Haushaltsplanung getroffen, sondern danach, wer am lautesten quengelt. Dabei werden diejenigen übergangen, die ihre Stimme nicht erheben können: die zukünftigen Generationen. Das ist sozial ungerecht.

Und die Steuersenkungen auf Pump gehen nicht nur zu Lasten der fernen Zukunft weit jenseits der nächsten Wahlen. Jeden der sechs Milliarden Euro werden wir uns leihen müssen und dafür auch Zinsen zahlen. Auch diejenigen Steuerzahler, die jetzt angeblich entlastet werden sollen. Gut die Hälfte der Bevölkerung zahlt aber gar keine Einkommensteuer und hat daher keinerlei Vorteile von diesen unseriösen und teuren Geschenken. Und da nicht nur der Grundfreibetrag erhöht, sondern der gesamte Tarif verschoben werden soll, würden insbesondere die Besserverdienenden davon profitieren. Auch das ist sozial ungerecht.

So verging also meine erste Nacht im Haushaltsausschuss. Am Ende hatte die Koalition mit ihrer Mehrheit eine Menge unsinnige Mehrausgaben beschlossen. Hätten wir GRÜNE uns mit unseren Vorschlägen durchgesetzt, gäbe es jetzt beispielsweise mehr Geld für Bildung oder im Kampf gegen Rechtsextremismus statt für Beton und neue Straßen. Und gleichzeitig – wir machen eine Menge Konsolidierungsvorschläge – würde Deutschland mehrere Milliarden weniger Schulden machen.