Halbzeit im UA Eurohawk

Die ersten drei Sitzungstage des Untersuchungsausschuss Eurohawk sind vorbei, 10 Zeugen wurden vernommen.

Zeit eine Bilanz der ersten Erkenntnisse zu ziehen:

Die zuständige Prüfgebietsleiterin des Bundesrechnungshof machte deutlich, dass eine Neubewertung des Projektes im Jahr 2009, spätestens in 2011 notwendig gewesen wäre. Damals war klar geworden, dass der ursprünglich gewählte Weg der Musterzulassung nicht gangbar sein werde. Stattdessen hat das Verteidigungsministerium einfach weitergemacht und sich an „Zulassungs-Strohhalme“ geklammert. Das Ministerium hat laut Rüstungsabteilungsleiter Selhausen seinerzeit noch nicht ein Mal geprüft, ob es gegenüber dem Hersteller der Drohne Forderungen rechtlich durchsetzen oder Regressforderungen geltend machen kann. Mehrere Zeugen bestätigten, dass die Musterzulassung des Eurohawk im Vertrag geschuldet sei. Dass diese rechtliche Prüfung erst jetzt stattfindet, grenzt an einen Skandal. Die Bundeswehr hat nicht nur darin versagt eigene Ansprüche zu prüfen, sondern auch das Kostenrisiko immens vergrößert, indem es weitere Verträge zum Eurohawk und zum verwandten Drohnenprojekt NATO AGS abgeschlossen hat.

Als Erfolg des Eurohawk-Projekts führt Thomas de Maizière gerne die Aufklärungskomponente ISIS auf. Dabei lässt er vollkommen außer Betracht, dass die mögliche Qualifikation dieser Technik erst im September 2013 abgeschlossen sein wird. Auf diese Technik angesprochen musste der zuständige Projektleiter im Beschaffungsamt daher auch feststellen, dass eine belastbare Aussage über die Leistungsfähigkeit von ISIS zum heutigen Zeitpunkt nicht möglich sei. Eine erfolgreiche Qualifikation im September dieses Jahres würde zudem auch „nur“ bedeuten, dass das System in ein Flugzeug integriert wurde, in dem es später überhaupt nicht betrieben wird, weil die Serie mangels Musterzulassung nicht beschafft wird. Welche Kosten für die Integration in einen anderen Träger anfallen und ob ISIS dann seine Leistungsfähigkeit genauso wird entfalten können, ist derzeit völlig unklar.

Thomas de Maizière mag zwar 2009 noch nicht im Amt gewesen sein, aber spätestens nach seiner Amtsübernahme in 2011 hätte er angesichts der bekannten Zulassungsprobleme aller Drohnenprojekte dafür sorgen müssen, dass eine umfassende Analyse des weiteren Vorgehens stattfindet und ohne eine solche Auswertung keine weiteren Verträge abgeschlossen werden. Er beteuert stattdessen jedoch nicht informiert gewesen zu sein, bzw. nur von lösbaren Problemen gewusst zu haben. Informationen hätten ihn nicht erreicht. Er schiebt dies auf ein Organisationsversagen in seinem Haus. Dieses Versagen gab es tatsächlich, wie die ersten Zeugenvernehmungen bestätigt haben. Es gibt jedoch nicht nur eine Bringschuld der Organisation, sondern auch eine Holschuld des Ministers. Er hätte sich proaktiv über ein so wichtiges Projekt wie Eurohawk informieren und vor allem nachfragen müssen. Das hat er nicht getan. In anderen Worten: Der Minister ist Teil der Organisation und Organisationsversagen damit auch teilweise sein persönliches Versagen.

Die ehemaligen Minister Scharping und Jung haben betont, dass es zum Amtsverständnis eines Ministers gehören müsse, sich aktiv zu informieren. Zur Art und Weise, wie Informationen den Minister erreichen, sagte der ehemalige Generalinspekteur, dass intensive und direkte Gespräche üblich seien und auch Basis von konkreten Handlungsschritten gewesen seien. Auch der Rüstungsabteilungsleiter Selhausen bestätigte: „ein tragendes Format der Kommunikation ist die Besprechung.“ Es ist angesichts dieser Aussagen schwer zu glauben, dass de Maizière wirklich nichts von den Problemen wusste. Dieses Projekt war so wichtig, dass sich der Minister dafür interessieren musste. Dies gilt nicht nur, weil Eurohawk zur Deckung einer strategischen Fähigkeitslücke dienen sollten, sondern vor allem auch, weil de Maizière vehement eine umfassende Diskussion über die Beschaffung von Drohnen vorantrieb, weil er gegenüber seinen europäischen AmtskollegInnen eine Initiative zur Harmonisierung von Zulassungsprozessen für militärische Flugzeuge vorschlug, weil das Projekt Eurohawk insgesamt über 1,3 Milliarden Euro kosten sollte und nicht zuletzt weil es ein transatlantisches Projekt war. Eurohawk war kein Projekt wie jedes andere, das unter der Aufmerksamkeitsschwelle des Ministers liegt.

Nächste Woche wird der Untersuchungsausschuss weitere Zeugen vernehmen. Dazu gehören Vertreter von Northrop Grumman, der Generalinspekteur, die Staatssekretäre des Verteidigungsministeriums und am Mittwoch dann Thomas de Maizière. Es stehen inzwischen zahllose Widersprüche zu den Aussagen des Verteidigungsministers im Raum, die er dann wird ausräumen müssen.