Wie der Eurohawk zum Eurohonk wurde

Was bleibt von zwei Wochen Untersuchungsausschuss zum Drohnen-Desaster des Thomas de Maizière?

Ein Zwischenfazit von Tobias Lindner

Auch wenn manche Betrachter angesichts ihrer Häufigkeit (vier solche Gremien alleine in dieser Legislaturperiode) denken mögen, sie seien Alltag: Untersuchungsausschüsse sind im parlamentarischen Betrieb etwas eher Außergewöhnliches. Nicht nur tagen sie dann, wenn Zeugen vernommen werden, meist öffentlich, es gilt auch, ähnlich wie im Strafprozess, die Wahrheitspflicht der Zeugen und das Recht auf Akteneinsicht. Viele Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag werden unter Umständen nie in einem solchen Ausschuss Mitglied sein. Für mich war es also umso überraschender, dass mit dem Untersuchungsausschuss Eurohawk für mich nach nur zwei Jahren als Abgeordneter mein „erster“ Untersuchungsausschuss auf mich zukam. Als Mitglied im Haushaltsausschuss (übrigens der einzige „Haushälter“ in diesem Gremium – obwohl es immerhin um eine Menge Geld geht), das sich dort mit den Ausgaben der Bundeswehr auseinandersetzt, und stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss kam das Thema quasi auf mich zu. Wie gesagt: Der Ausschuss zum Drohnen-Desaster war mein erster „UA“, wie man diese Gremien auch nennt. Ob mir je ein zweiter „vergönnt“ sein wird, ist in Demokratien genauso ungewiss, wie die Dauer der Parlamentszugehörigkeit selbst.

Was ist Sinn und Zweck eines Untersuchungsausschusses, gerade in der Sommerpause und zumal in Wahlkampfzeiten?

Kann da überhaupt etwas „rauskommen“? Untersuchungsausschüsse tun in erste Linie das, was schon der Name sagt, nämlich einen Vorgang – den Untersuchungsauftrag – untersuchen. Dazu hat ein solches Gremium, wie bereits eingangs erwähnt, mehr und andere Rechte als gewöhnliche Ausschüsse. Insbesondere können Zeugen, die zur Wahrheit verpflichtet sind, geladen sowie Akten und andere Materialien als Beweise beigezogen werden. Die Opposition genießt Minderheitenrechte, das heißt beispielsweise, dass eine Regierungskoalition die Ladung eines Zeugen nicht einfach verhindern kann.

In zweiter Linie sind aber solche Ausschüsse auch das „schärfste Schwert“ der Opposition im Parlamentarismus. Kommt man bei Skandalen und Missständen mit „gewöhnlichen“ Mitteln in den Ausschüssen nicht mehr weiter, verweigert die Regierung Auskünfte oder ergeben sich elementare Widersprüche, dann greift die Opposition zum Instrument des Untersuchungsausschusses.

Und was sind/waren nun meine Erwartungen an den Untersuchungsausschuss zum Desaster um die Eurohawk-Drohne? Vielfach wird jetzt ja darüber gesprochen bzw. geschrieben, die Opposition sei gescheitert, da Thomas de Maizière weiterhin im Amt sei. Nun ja, wer erwartet hat, dass der Ausschuss seine Arbeit beginnt, dann den Bundesverteidigungsminister vernimmt und dieser am Ende sagt: „Ok, Sie haben Recht, ich rufe jetzt die Kanzlerin an und trete zurück“, für den ist das Ergebnis des Ausschusses sicherlich ein Scheitern. Ich hatte diese Erwartung an die Einsichtsfähigkeit von Thomas de Maizière nicht.

Meine Hoffnungen an den Untersuchungsausschuss waren, dass wir aufklären, welche Probleme es mit der Drohne gab, wer, wann von diesen Problemen wusste, und schließlich, ob und wie man damit schließlich umging. Hierzu erhielten wir gut 20 Umzugskartons gefüllt mit Aktenordnern und hierzu wird im August der Ausschuss, teilweise nach Mehrheits- und Minderheitenvoten getrennt, seine abschließenden Berichte verfassen.

Ich will diesem Bericht bzw. den Berichten nicht vorweg greifen. Täte ich es, wäre dieser Artikel wohl auch deutlich länger als geplant. Vielleicht soviel an Beispielen:

Immer wieder wurde vor dem Ausschuss berichtet, das entscheidende Problem mit der Drohne sei gewesen, dass ein sog. Kollisionswarnsystem fehlen würde. Falsch – wie wir im Untersuchungsausschuss erfuhren. Das Problem beginnt schon einen Schritt zuvor – bei der Musterzulassung. Das ist eine Art „TÜV-Zulassung“ (also in Wirklichkeit erteilt die Wehrtechnische Dienststelle 61 diese Zulassung) für Luftfahrzeuge, die man benötigt – und zwar völlig unabhängig davon, ob die Drohne in einem gesperrten Luftraum fliegt oder am allgemeinen Luftverkehr teilnehmen will. Die Behauptung der Koalition also, Rot-Grün hätte schon 2004 wissen können, dass keine Kollisionswarnung existiert und dies der „Geburtsfehler“ des Eurohawk sei, hat sich als Mär erwiesen.

Was den Umgang mit Problemen betrifft, so hat der Ausschuss doch für mich recht deutlich herausgearbeitet, dass es neben formalen Berichtswegen und Behördengängen auch eine Holschuld der Ministeriumsspitze gibt. Thomas de Maizière hat selbst zugegeben, dass er aus heutiger Sicht hätte nachfragen müssen, wie es um den Eurohawk steht, statt auf Berichte zu warten.

Immer wieder hörte ich in den vergangenen Wochen die Äußerung, ja schon fast den Vorwurf, dass schon immer bei Rüstungsprojekten Dinge schief gehen würden. Warum regen wir uns also bei Eurohawk dann so auf? Gerade weil das Desaster bei Eurohawk eben kein gewöhnliches Desaster bei Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr ist bzw. war! Bei Eurohawk gab es ab 2009 beginnend Probleme im Projektverlauf und man hat im Wissen um diese Probleme sich an Strohhalme geklammert, die man Lösungswege nannte, und weiter Geld ausgegeben statt das Projekts neu zu bewerten und dann gegebenenfalls abzubrechen.

Schließlich, und dieser Aspekt gehört für mich zwingend zum Drohnen-Desaster dazu, stellte sich die Frage, warum das Parlament erst so spät und dann nur scheibchenweise unterrichtet wurde. Als ich im Januar nach dem Sachstand des Projektes fragte, erhielt ich nur eine ausweichende Antwort statt die Karten, dass man wohl über Alternativen zur Serienbeschaffung nachdenke, offen auf den Tisch zu legen. Während manche (Staatssekretär Wolf) hierin keinen Fehler erkennen konnten, sagten wiederum andere (de Maizière), das solle sich zukünftig bessern. „Schaun mer mal“, würde ein berühmter deutscher Fußballphilosoph sagen…

Was am Ende auch bleibt, ist die Frage nach personellen Konsequenzen. Der Minister behält sich diese für Mitarbeiter weiterhin vor. Er kann auch nicht ausschließen, dass sie gegebenenfalls erst nach der Bundestagswahl erfolgen – bzw. dann nicht mehr erfolgen, sollte er der nächsten Bundesregierung nicht mehr angehören.

Sollte Thomas de Maizière selbst Konsequenzen ziehen und zurücktreten? Seine Erklärung vor dem Untersuchungsausschuss war für mich alles andere als schlüssig. Seine Verteidigungslinie ist immer mehr zerfasert. Nun wird plötzlich zwischen Entscheidungsvorlagen und Informationsvorlagen unterschieden, hinzu kommen Vorlagen zur Gesprächsvorbereitung, die er zwar abzeichnet, aber nicht immer liest usw. .

Wieso sagt er erst jetzt nach mehreren Wochen, dass er sich unklar ausgedrückt hat? Wieso nicht sofort, wenn erste anderslautende Presseberichte auftauchen? Und wie berät dann, wenn wir diese Geschichte mal glauben wollen, eine Pressestelle den Minister? Hätte er im Untersuchungsausschuss die anderen Vorlagen, die es an ihn in Sachen Eurohawk gab, auch erwähnt, wenn es vorher keine Presseberichte hierzu gegeben hätte? Ich glaube nicht.

Für mich hat Thomas de Maizière vor dem Deutschen Bundestag Anfang Juni nicht die Wahrheit gesagt, als er von falschen Informationswegen in Sachen Eurohawk sprach. Als Parlamentarier fühle ich mich nach wie vor unzureichend und in manchen Teilen auch falsch informiert.

Wenn man über Rücktritte spricht, dann sind oftmals zwei Kriterien wichtig: Erstens, ob das Parlament durch einen Minister falsch oder unzureichend informiert wurde. Und, zweitens, welche Maßstäbe ein Minister an seine eigene Amtsführung und Verantwortlichkeit setzt – und ob er diesen Maßstäben noch gerecht wird. Ich persönlich glaube, Thomas de Maizière würde sich selbst einen Gefallen tun, wenn er Konsequenzen – auch für sich – ziehen würde. Legt man die Maßstäbe, die bei Franz Josef Jung und Karl-Theodor zu Guttenberg angewendet wurden, an ihn an, wäre das Ergebnis klar.