Rede – Haushalt 2015 Etat des Bundesministeriums der Finanzen

Redeprotokoll

Allgemeine Finanzdebatte, Bundesrechnungshof

Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man hört ja in dieser Debatte alle möglichen Begriffe: Es ist die Rede vom Beginn einer neuen Ära oder von einer historischen Leistung. Da muss man sich doch mal im Detail anschauen – ich bin dem Kollegen Kahrs für seine entlarvende Ehrlichkeit fast schon dankbar –, was denn tatsächlich passiert: Sie haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ausgaben und damit im Wesentlichen die Struktur dieses Haushalts konstant gehalten – man könnte auch sagen: Sie haben nichts gemacht –; gleichzeitig haben Sie auf steigende Steuereinnahmen gewettet. Deswegen kommen Sie bei ökonomischem Schönwetter, in Zeiten, wo es diesem Land gut geht, am Ende bei null neuen Schulden heraus. Eine Großtat, meine Damen und Herren, ist das nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])

Wenn wir über ökonomisch gute Zeiten reden, dann sollten vor allem Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Unionsfraktion, bedenken, warum es Deutschland heute ökonomisch so gut geht. Das liegt nämlich im Wesentlichen an den mutigen Entscheidungen vieler mutiger Frauen und Männer vor zehn Jahren hier in diesem Plenarsaal, die mit wichtigen Reformen in diesem Land einige Strukturen verändert haben, das liegt nicht an der Arbeitsverweigerung der CDU/CSU, die seit 2005 in diesem Land Verantwortung trägt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Herr Schäuble, Sie haben hier heute Morgen versucht, einen Disput aufzumachen, der so gar nicht besteht. Es geht nicht darum, dass Sie keine neuen Schulden wollen und die Opposition, wir Grüne, etwa neue Schulden machen würden. Ganz im Gegenteil, wir haben Ihnen in diesen Haushaltsberatungen dezidiert dargelegt, wie wir unsere Schwerpunkte finanzieren würden: wo wir Ausgaben streichen würden, wo wir priorisieren würden, wo wir umweltschädliche Subventionen kürzen würden. Es geht darum, wie Sie zu null neuen Schulden kommen. In der Tat befindet sich in Ihrem Haushalt eine ganze Menge an Nullen: Es gibt null Fortschritt dabei, dass wir bei den Bildungs- und Forschungsausgaben irgendwie einmal aus dem Bereich unterhalb des OECD-Durchschnitts herauskommen. Das ist eine Null, die Sie in Ihrem Haushalt haben. Es gibt null Fortschritt, wenn es darum geht, den Verfall unserer öffentlichen Infrastruktur zu verhindern. Das ist eine Null, die Sie in Ihrem Haushalt haben. Und es gibt null Anstrengungen -dafür, sicherzustellen, dass es den Menschen in Deutschland auch noch in 10, 15 oder 20 Jahren ökonomisch gut geht. Das sind die Nullen in Ihrem Haushalt, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute Morgen wurde an Franz Josef Strauß erinnert, an die Zeit vor über 40 Jahren. So sieht, muss man ehrlich sagen, leider auch die Energiepolitik aus, die sich in Ihrem Haushalt manifestiert: Sie halten mit Ihren Entscheidungen an Kraftwerken fest, die zu einem Zeitpunkt in Betrieb genommen wurden, als Sepp Herberger noch Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft war. Das ist es, was Ihren Haushalt unter anderem auch zukunftsvergessen macht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Oppermann [SPD]: Nichts gegen Sepp Herberger!)

– Nichts gegen Sepp Herberger, da haben Sie voll und ganz recht, Herr Kollege Oppermann; aber ich habe etwas gegen eine Energiepolitik aus der Zeit von Sepp Herberger,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und leider haben Sie mit diesem Haushalt, was eine andere Energiepolitik betrifft, nicht geliefert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, wenn ich mir Ihren Haushaltsplan so anschaue, dann fühle ich mich fatal an ein Projekt der letzten Großen Koalition erinnert, an den Versuch, die Deutsche Bahn an die Börse zu bringen. Da hat man nicht nach links und nicht nach rechts geschaut und dieses Unternehmen auf Rendite optimiert und dabei das Schienennetz fast verrotten lassen. Was machen Sie mit dem Bundeshaushalt 2015? Sie schauen in Ihrem Haushalt auf den Fetisch Nettokreditaufnahme und fahren dabei dieses Land auf Verschleiß.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Lieber Wolfgang Schäuble, in gewisser Art und Weise sind Sie der Hartmut Mehdorn der deutschen Finanzpolitik.

(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)

Ich glaube, das lässt sich auch an Ihren eigenen Ansprüchen nicht messen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])

Wir Grüne haben in diesen Haushaltsberatungen gezeigt, dass eine Haushaltspolitik ohne neue Schulden möglich ist, mit den richtigen Schwerpunkten.

(Norbert Barthle [CDU/CSU]: 8 Milliarden Euro neue Ausgaben!)

Wo wir diese setzen würden, das werden wir mit Ihnen in den kommenden Tagen noch Ressort für Ressort durchgehen. Vielleicht verbessert sich dann bis Freitag auch noch etwas an Ihrem Haushalt; wir geben Ihnen zumindest die Möglichkeit dazu.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)