Rede – Haushalt 2015 Schlussrunde zum Haushaltsgesetz

Redeprotokoll

Haushalt 2015 Schlussrunde

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Dr. Tobias Lindner das Wort.

Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In etwa 45 Minuten haben es die Kollegen von CDU/CSU und SPD hinter sich. Die Haushaltsberatungen, die die Große Koalition in den vergangenen vier Tagen fast als Nullverschuldungsfestspiele in diesem Haus zelebriert hat, kommen an ein Ende. Es bleibt aber die Frage: Was folgt danach?

Manche Kollegen – Herr Brinkhaus, Sie haben es heute auch getan – sprechen ja schon fast vom Beginn einer neuen Ära oder Epoche. Herr Schäuble, Sie haben am Dienstag in der allgemeinen Finanzdebatte davon gesprochen, dass dieser Haushalt wenig wert sei, wenn wir es nicht in Zukunft schaffen würden, Einnahmen und Ausgaben in der Waage zu halten. Verlässlichkeit und Vertrauen waren die von Ihnen gewählten Worte.

Ich will Ihnen an diesem Punkt gar nicht widersprechen. Natürlich wäre dieser Haushalt eine Eintagsfliege, wenn man es nicht schaffen würde, Einnahmen und Ausgaben in der Waage zu halten. Dass wir das im kommenden Jahr schaffen, liegt vor allem an der guten konjunkturellen Lage und an den Steuereinnahmen. Dies müsste aber auch in Zukunft gegeben sein.

An dieser Stelle, meine Damen und Herren von der Großen Koalition, versagt Ihr eigener Haushaltsentwurf für das Jahr 2015 kläglich;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn Sie setzen gerade nicht die Schwerpunkte, die Sie setzen müssten, damit es den Menschen in Deutschland in 5, in 10 oder in 15 Jahren noch so gut geht, dass sich Einnahmen und Ausgaben die Waage halten können. Ihr Haushalt ist eben nicht die Grundlage für eine schuldenfreie Zukunft in Deutschland. Im Gegenteil: Er verschiebt Schulden in die Zukunft. Er ist ein Widerspruch zu dem Ziel, das Sie selbst ausgegeben haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Null in Ihrem Haushalt – ich kann es nur nochmals sagen – steht für null Fortschritt bei Investitionen. Sie steht für null Breitbandausbau. Sie steht auch für null Anstrengungen bei der Energiewende. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind die Nullen in diesem Haushalt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Hochjauchzend und frohlockend, fast schon wie eine Monstranz haben Sie von der Großen Koalition diese Null in den letzten Tagen vor sich hergetragen. Meine Damen und Herren, der Kater nach der Feier wird aber kommen. Es ist nun einmal so: Wenn man abends zu viel Glühwein trinkt und es einem schmeckt und wenn man nicht wahrhaben will, was am nächsten Morgen passiert, dann wird man eben doch eines Besseren belehrt. Auch für Sie von CDU/CSU und SPD wird der Tag kommen, an dem Sie begreifen werden, dass Haushaltspolitik aus mehr besteht als dem Summenstrich unter der Rechnung und der Null. Wichtig sind vor allem die Zahlen und die Inhalte dazwischen. Das haben Sie eben nicht beachtet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle begehen Sie Arbeitsverweigerung, liebe Kolleginnen und Kollegen. An einer Stelle haben Sie hier einen völlig falschen Eindruck verbreitet. Es wird oft so getan, als sei jetzt alles gut, als würde der Haushalt 2015 den Menschen keine Rechnung schicken. Das ist mitnichten so. Es wird vielleicht keine Rechnung aus dem Jahr 2015 von den zukünftigen Generationen bei den Banken ankommen. Die Rechnung für diesen Haushalt wird aber schneller kommen als Sie denken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bereits im kommenden Jahr wird die erste Rechnung in Form von Zusatzbeiträgen bei den Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ankommen, weil Sie in den Gesundheitsfonds greifen. Das ist eine der Rechnungen, die aus Ihrem Haushalt folgt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Jurk [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Quatsch!)

In wenigen Jahren wird die nächste Rechnung bei den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern der gesetzlichen Rentenversicherung ankommen, weil Sie die Rente mit 63 und die Mütterrente schlecht und falsch finanziert haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wird noch eine weitere Rechnung kommen. Diese Rechnung wird vermutlich, Herr Schäuble – ich glaube, da trete ich Ihnen nicht zu nahe –, nicht mehr bei Ihrer Generation ankommen, aber bei meiner: Es wird die Generation der heute 30 bis 40Jährigen sein. Sie werden in Zukunft ein Vielfaches dessen aufwenden müssen, was heute notwendig gewesen wäre, um Straßen, Schienen, Brücken oder Schulen zu sanieren. Das ist die Rechnung Ihres Haushaltes, und der Absender auf der Rechnung ist „Große Koalition“.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir Grüne haben in diesen Haushaltsberatungen gezeigt, dass man am Ende eben nicht nur ohne neue Schulden auskommen kann, sondern dass es vor allem auch möglich ist, Haushaltspolitik in Richtung Zukunft auszurichten. Wir priorisieren, was Ausgaben betrifft. Wir kämpfen gegen Verschwendung. Wir sparen, und wir streichen bei umweltschädlichen Subventionen. Wir nutzen die entstehenden Spielräume und investieren in die Bereiche, die Deutschland zukunftsfähig, nachhaltig und gerecht machen. Wir brauchen endlich wieder Schwung bei der Energiewende. Deshalb steht Bündnis 90/Die Grünen für einen Energiesparfonds in diesem Haushalt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit Infrastruktur eben nicht auf Beton beschränkt bleibt, ist es nötig, viel weiter zu denken. Daher nehmen wir es ernst mit dem „Internet für alle“. Wir machen Ernst mit dem Breitbandausbau und haben vorgeschlagen, in diesem Haushalt dafür 1 Milliarde Euro bereitzustellen. Sie haben an dieser Stelle nichts getan.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es braucht in Deutschland eine sichere Rohstoffversorgung mit dem wichtigsten Rohstoff unserer Gesellschaft: Das sind Bildung und Betreuung. Auch an dieser Stelle haben Sie nichts getan,

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Quatsch! Unsinn!)

während wir Grüne Vorschläge gemacht haben, wie man dieses Land zukunftsfähig macht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das wäre ein Haushalt ohne neue Schulden, aber mit Zukunft. Ihr Etatentwurf für 2015 ist das Gegenteil dessen, und deshalb werden wir ihn nachher ablehnen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist eine Fehlentscheidung!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)