Untersuchungsausschuss – nach den Zeugenbefragungen, vor dem Abschlussbericht

Nach einem Jahr Untersuchungsausschuss steht fest: Es gab ein erhebliches Organisations- und Führungsversagen im Verteidigungsministerium. Durch den vergaberechtwidrigen Einsatz externer Berater wurden Millionenbeträge verschwendet.

Der Leitungsebene mangelt es an Problem- und Verantwortungsbewusstsein. Erheblicher Zeit- und Erfolgsdruck auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führte dazu, dass sie sich nicht anders zu helfen wussten, als gegen Recht und Gesetz zu verstoßen, um die Wünsche der Führungsriege zu erfüllen.

Die politische Verantwortung für dieses Versagen der Leitungsebene trägt die heutige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Diese weist jedoch jede Verantwortung von sich.

Am 13. Februar 2020 vernahm der Untersuchungsausschuss „Berateraffäre im Verteidigungsministerium“ als letzte Zeugin Ursula von der Leyen. Die Vernehmung der ehemalige Verteidigungsministerin und heutigen EU-Kommissionspräsidentin sollte Aufklärung darüber bringen, wie es dazu kommen konnte, dass während ihrer Amtszeit im Verteidigungsressort vergaberechtswidrig Millionenbeträge für externe Beratung ausgegeben wurden. Es ging dabei auch um die Frage, welche Verantwortung die ehemalige Ministerin hierfür trägt.

Der Unwille zur Aufklärung im Ministerium

Ein Jahr Untersuchungsausschuss förderte zu Tage, dass im Bundesverteidigungsministerium (BMVg) der Wille zur Aufklärung fehlte. Die hauseigenen Verwaltungsermittlungen, die Licht in das Dunkel der Vergabeverstöße bringen sollten, kamen zu dem Ergebnis, dass niemand für das Missmanagement verantwortlich sei und es keinen finanziellen Schaden gäbe.

Der Untersuchungsausschuss kam zu einem anderen Ergebnis. Bei zahlreichen Projekten wies die Hausleitung an, Projekte schnell und mit Priorität umzusetzen. Die üblichen Prozesse wurden durch die Leitungsebene ausgehebelt und der Entscheidungsspielraum der hierarchisch unteren Ebenen derart eingeschränkt, dass diese faktische Entscheidungen nur noch ausführen konnten.

Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlten sich aufgrund des Zeit- und Erfolgsdruckes durch die Führungsebene gezwungen, deren Projektwünsche zu erfüllen und notfalls gegen Recht und Gesetz zu verstoßen. Zu beauftragende Unternehmen wurden bereits durch die Staatssekretärin und Abteilungsleiter benannt. Diese Unternehmen begannen bereits zu arbeiten, bevor auf Arbeitsebene überhaupt die Rechtmäßigkeit einer Vergabe geprüft werden konnte. Das BMVg erklärte immer wieder, man habe sich dabei auf die Prüfungen im Vergabeamt verlassen, während man dort wiederum von einer bereits durchgeführten Prüfung ausging.

Millionen Euro verschwendet

Beim Projekt Heeresinstandssetzungslogistik (HIL) wurde ein Vergabeverfahren vom Ministerium gestoppt, weil das Ergebnis dieses mustergültigen Verfahrens zum Ergebnis hatte, dass das gewünschte Unternehmen nicht den Zuschlag bekommen würde. Am Ende wurde auch beim Projekt HIL der Wunschkandidat des Ministeriums beauftragt.

Die Arbeit des Untersuchungsausschusses hat am Ende maßgeblich dazu beigetragen, dass die Privatisierung der HIL-Werke gestoppt wurde. Was leider bleibt: eine Verschwendung von mindestens 20 Millionen Euro für Berater. An anderer Stelle wurde jemand mit der Moderation einer Veranstaltung beauftragt, weil die ehemalige Staatssekretärin Dr. Suder das klipp und klar angewiesen haben soll und so wörtlich „die Chemie“ mit dem Moderator stimmte.

Verantwortungsloses Schwarzer-Peter-Spiel

Die Befragten haben in den Vernehmungen die Verantwortung jeweils auf andere Akteure geschoben. Es war stets der oder die andere, die hätte prüfen müssen. Je höher die Zeugen in der Hierarchie des Ministeriums standen, desto mehr wurde die Verantwortung im Vergabeamt in Koblenz abgeladen. Ein wirkliches Problembewusstsein ist auf der Leitungsebene des Verteidigungsministeriums nicht zu erkennen.

Festzuhalten bleibt: Der Führungsstil der ehemaligen Ministerin hat zu einer Verantwortungsdiffusion im Ministerium geführt, bis es niemand mehr war.

Während Ihrer Vernehmung räumte Frau von der Leyen zwar ein, dass es Vergabeverstöße gab. Eine individuelle Verantwortlichkeit – insbesondere ihrer ehemaligen Staatssekretärin – benannte auch sie nicht. Ein kritisches Hinterfragen der Geschehnisse und des Klüngel-Systems im Ministerium ließ sie vermissen. Stattdessen lobte sie die Staatssekretärin Dr. Suder für ihre „hervorragende und exzellente“ Arbeit. Bei so einem Verhalten ist das mangelnde Fehlerbewusstsein im BMVg nicht verwunderlich.

Nächster Schritt: Abschlussbericht

Nach Abschluss der Zeugenbefragungen wird der Untersuchungsausschuss seinen Abschlussbericht zur Berateraffäre erarbeiten. Inwieweit die Regierungsfraktionen bereit sind, hier die Probleme, Verantwortlichkeiten und Lehren glasklar zu benennen, bleibt abzuwarten. Für die Zukunft einer objektiven und effektiven Vergabepraxis – nicht zuletzt im Bereich der Vergabe von Beratungsleistungen – ist eine schonungslose Analyse unabdingbar.