Verantwortung für afghanische Ortskräfte anerkennen: sofortige, unbürokratische Aufnahme ermöglichen

Gestern Abend haben die letzten deutschen Soldat*innen Afghanistan verlassen. Zurückgeblieben sind jedoch mehrere hundert Afghan*innen, die als Ortskräfte für die Bundeswehr, die Polizeimission und in der Entwicklungszusammenarbeit tätig waren. Für dieses Engagement werden sie und ihre Familien von den Taliban mit dem Leben bedroht.

Eine Kleine Anfrage hat ergeben, dass die Bundesregierung bei der Frage der Aufnahme von Ortskräften vage bleibt und taktiert. Obwohl bereits am 18. Juni 2021 von der Innenministerkonferenz beschlossen wurde, dass auch volljährige Kinder gefährdeter Ortskräfte mit der Familie ausreisen dürfen, benennt die Bundesregierung in ihrer Antwort lediglich die Kernfamilie ohne volljährige Kinder. Ein unbürokratisches Gruppenverfahren lehnt die Bundesregierung ebenfalls ab. Insbesondere bei der Frage wie und an wen afghanische Ortskräfte nach Abzug der deutschen Truppen eine Gefährdungsanzeige richten können, hat die Bundesregierung keine Antwort: Sie verweist auf eine Informationssperre aus Sicherheitsgründen, versichert aber, dass Ortskräfte auch nach dem deutschen Truppenabzug eine Gefährdung bei einem ehemaligen Arbeitgeber anzeigen können. Diese Intransparenz sorgt für Verwirrung und kann dazu führen, dass in vielen Fällen keine Gefährdungsanzeige gestellt wird.

Dieses Verhalten der Bundesregierung ist verantwortungslos und beschämend. Dass trotz einer gemischten Bilanz des Afghanistan-Einsatzes einiges erreicht wurde, verdanken wir den Afghan*innen, die uns als Ortkräfte unendlich engagiert unterstützt haben. Das verdient Anerkennung. Andere Nationen sind viel großzügiger in ihrer Aufnahmepolitik, ermöglichen unbürokratische Verfahren und nehmen sogar teils Afghan*innen auf, die für Deutschland gearbeitet haben. Die Bundesregierung hingegen verliert sich in Fristen und Vorschriften und vergisst darüber ihre Verantwortung.

Es ist dringend geboten, das Verfahren zur Antragsstellung zu vereinfachen. Dabei müssen insbesondere online-basierte Anwendungen mitgedacht und bekanntgemacht werden, da mit dem Abzug der letzten Soldat*innen auch Ansprechpartner*innen für eine Gefährdungsanzeige das Land verlassen werden. Die Einbeziehung externer Dienstleister, wie von der Bundesregierung auch einmal angedacht war, beinhaltet das Risiko von Schnittstellenproblematiken, Verzögerungen und Verschiebung politischer Verantwortung. Das muss unbedingt verhindert werden. Zudem müssen Fristen für eine Gefährdungsanzeige auch für diejenigen Ortskräfte verlängert werden, die in der Entwicklungszusammenarbeit tätig waren. Auch muss das Verfahren endlich für Afghan*innen geöffnet werden, die bei Subunternehmern der Bundeswehr angestellt waren.