Rede – Haushalt 2015 des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz

Redeprotokoll

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Danke, Frau Kollegin. – Nächster Redner in der Debatte: Dr. Tobias Lindner für Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wahrlich, wir diskutieren hier einen besonderen Etat. Der Kollege Roland Claus sprach von Milde der Opposition. Keine Sorge: Ich werde sparsam damit umgehen.

Der Minister und Sie, Frau Winkelmeier-Becker, haben erwähnt, dass wir über den mit Abstand kleinsten Etat eines Ministeriums in der Bundesregierung reden. Ich will den Zuschauerinnen und Zuschauern ein illustratives Beispiel geben: Allein die Kürzung, die die Große Koalition im letzten Haushalt in der Nacht der Bereinigungssitzung an den Mitteln für das Verteidigungsressort vorgenommen hat – das waren 400 Millionen Euro –, entspricht fast den Ausgaben, die Heiko Maas im Jahr 2015 tätigen können soll, nämlich 414 Millionen Euro. Man könnte versucht sein, zu denken, wir würden hier über einen Geschäftsbereich der Bundesregierung reden, der unbedeutend wäre.

In dieser Debatte – das will ich auch als Hauptberichterstatter für diesen Etat sagen – ist bereits deutlich geworden: Es geht nicht nur um Geld. Wir alle – egal von welcher Fraktion – haben Interesse an einem funktionierenden Justizsystem. Natürlich braucht es hier vor allem kluge und gut gemachte Regeln. Ich will der Koalition an einer Stelle entgegenkommen: Man braucht im Bereich des Verbraucherschutzes sogar kluge Regeln und Normen.

Jetzt kommt das große Aber. In einem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, dessen Teile erst noch zusammenwachsen müssen, ist Geld vielleicht nicht alles, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, da geht ohne Geld manchmal auch nichts. Da reicht es nicht aus, dass nur ein Drittel der Mittel für den Verbraucherschutz bei dem Neuzuschnitt der Ministerien in das BMJV gelangt ist. Der Verbraucherschutz ist, wie auch im Haushalt 2014, leider immer noch chronisch unterfinanziert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will dies an zwei Themen deutlich machen. Die Marktwächter wurden bereits angesprochen. Im letzten Haushalt hat die Koalition Mittel für eine Anschubfinanzierung für einen Marktwächter im Bereich des Finanzmarkts in Höhe von 2,5 Millionen Euro eingestellt. Sie haben sich in Ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, Marktwächter für den Finanzmarkt und für die digitale Welt zu schaffen. Damit Sie mich richtig verstehen: Das ist auch bitter notwendig.

Wenn wir eine Lehre aus der Finanzkrise ziehen sollten, dann ist es, dass wir die Lobby der Verbraucherinnen und Verbraucher stärken müssen. Heute Morgen sprach Wolfgang Schäuble über die Industrie 4.0, über die Digitalisierung unserer Wirtschaft und über neue Geschäfts und Nutzungsmodelle. Wenn wir auch daraus eine Lehre ziehen wollen, dann muss die Lehre heißen, dass die Lobby, die Interessenverbände und die Macht der Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Bereich unbedingt gestärkt werden müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es reicht eben nicht aus, wenn Sie die Mittel im Etatansatz nur um 800 000 Euro erhöhen wollen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband selbst spricht von einem Bedarf für eine Anschubfinanzierung in Höhe von 7 Millionen – und nicht von 3,3 Millionen Euro, die es dann eigentlich wären. Wenn beide Marktwächter dann hoffentlich aktiv sind, kommt mittelfristig ein Finanzbedarf von insgesamt etwa 14 bis 15 Millionen Euro auf uns zu.

Bevor die geschätzten Kollegen Gröhler und Rohde mir später entgegnen, dieses Geld sei in Zeiten einer schwarzen Null nur schwer im Einzelplan zu finden, will ich schon jetzt erwidern: Was Sie eben nicht tun können, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, ist, einen Koalitionsvertrag zu verabschieden und zu sagen: Alle nicht prioritären Vorhaben müssen aus den Einzelplänen finanziert werden. – Dann schneiden Sie die Ministerien neu zu – das können Sie ja tun; es gibt durchaus Gründe dafür, das so zu sehen, wie Sie es sehen –, statten dann die Häuser aber nicht mit den Mitteln aus, die erforderlich sind, um diesen Koalitionsvertrag umsetzen zu können.

Nein, ich will es viel deutlicher sagen: Sie haben ein Ministerium geschaffen, auf das Ihr eigener Koalitionsvertrag nicht anwendbar ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will einen zweiten Punkt im Bereich des Verbraucherschutzes erwähnen: die institutionelle Förderung. Jetzt steht zwar ein Grüner vor Ihnen, aber ich habe mich in meinem Studium viel mit Ludwig Erhard

und den Vätern der sozialen Marktwirtschaft befasst.

(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Ich habe mich lange gefragt: Was würde wohl Ludwig Erhard in einer Situation wie der heutigen sagen,

(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Sehr guter Ansatz!)

in der wir es zunehmend mit Lobbyinteressen, Digitalisierung und Internationalisierung unserer Wirtschaft zu tun haben? – Wenn man in Schriften von Erhard und Eucken schaut, dann sieht man, dass dort sehr wohl davon gesprochen wird, dass wir mündige Konsumentinnen und Konsumenten brauchen, dass wir das abbauen müssen, was der Fachmann oder die Fachfrau als Informationsasymmetrie bezeichnet.

Wenn wir mündige und mächtige Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann geht es eben nicht, was Sie in Ihrem Haushaltsentwurf bei den Mitteln für den Verbraucherzentrale Bundesverband und die Stiftung Warentest vorsehen. Die Mittel für den Verbraucherzentrale Bundesverband erhöhen Sie nur in sehr geringem Maße; damit kann man nicht einmal Tarifsteigerungen auffangen. Bei der Stiftung Warentest toppen Sie das noch: Sie setzen nicht nur das, was in Ihrem Koalitionsvertrag auf Seite 125 steht, nämlich dass die Zuwendungen erhöht werden sollen, nicht um – nein, Sie kürzen die Mittel sogar. Das ist ein Widerspruch zu dem, was Sie vor einem Jahr verabredet haben. Da werden wir Grüne Ihnen in den Haushaltsberatungen aufzeigen, was wir anders machen würden und wie wir die institutionelle Förderung der Arbeit für die Verbraucherinnen und Verbraucher stärken würden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

Ich will zum Schluss kommen. Als Hauptberichterstatter freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen hier im Hause, im Haushaltsausschuss, mit Roland Claus, Dennis Rohde und Klaus-Dieter Gröhler; ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dem Ministerium. Ich hoffe, dass wir am Ende dieser Haushaltsberatungen nicht nur – wie heute – irgendwie fröhlich sind, dass wir einen Haushaltsplan ohne neue Schulden vor uns haben, sondern dass wir in ein paar Wochen auch einen Verbraucherschutz und Justizetat endberaten werden, der den Herausforderungen der Zeit wirklich gerecht wird und ein wirklicher Etat für den Verbraucherschutz ist.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])