Einsatz der Bundeswehr im Inneren

Mit seiner Entscheidung, dass der Einsatz militärischer Mittel durch die Bundeswehr im Inland in bestimmten Fällen der Amtshilfe erlaubt ist, hat das Bundesverfassungsgericht mit einem grundsätzlichen Konsens gebrochen. Dem Gericht nach wäre es nun zulässig, dass die Bundeswehr in „Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes“ die Polizeien der Länder und des Bundes auch mit ihrem auf kriegerische Auseinandersetzungen ausgerichteten Waffenarsenal unterstützt. Es könnten in solchen Fällen also SoldatInnen mit Sturmgewehren, wohl auch Panzer eingesetzt werden. Bundeswehreinsätze gegen Demonstrationen sieht das Gericht immerhin durch diese Neuinterpretation weiterhin nicht gerechtfertigt. Auch der Abschuss von durch Terroristen entführten Passagierflugzeugen bleibt weiterhin untersagt.

Diese Entscheidung führt dennoch zu einem großen Unbehagen meinerseits. Es gab bisher eine vernünftige und tragfähige Lösung, die der Bundeswehr alle Unterstützungsleistungen, die im Inland notwendig sind, erlaubte. Sie konnte auf dem Wege der Amtshilfe ihre personellen und technischen (jedoch ohne Kriegswaffen!) Fähigkeiten bei Katastrophen einbringen, etwa bei Fluten, oder der Einrichtung von Quarantänezonen zur Bekämpfung der Vogelgrippe. Selbst im äußersten Extremfall, in dem der Bestand der freiheitlich demokratischen Grundordnung fundamental bedroht ist, wäre ein Einsatz durch das Grundgesetz gedeckt gewesen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum das Gericht nun weitere Möglichkeiten eines militärisch bewaffneten Einsatzes im Inland möglich macht. Terroristischen Bedrohungen wird man auch mit Kampfpanzern und MG-Nestern in unseren Innenstädten nicht besser begegnen können. Ohnehin bleibt die Frage offen, ab wann eine solche terroristische Bedrohung als eine „Ausnahmesituation katastrophischen Ausmaßes“ gilt.

Ich frage mich, wohin diese Entscheidung führen wird bzw. führen kann. Es ist absolut unklar, was genau als eine „Ausnahmesituation katastrophischen Ausmaßes“ gilt. Diese vage Formulierung gibt nur unnötigen Spielraum, der dazu führen kann, dass Parteien, die den Einsatz der Bundeswehr im Inneren fordern, in Regierungsverantwortung die Grenzen der Bundeswehr Einsatzmöglichkeiten austesten, ausreizen und Stück für Stück ausweiten werden. Es wäre besser gewesen, den strikten Verzicht auf den Einsatz militärischer Mittel im Inland beizubehalten und eine Erosion der Trennung innerer und äußerer Sicherheit gänzlich zu verhindern.