Bundestagsrede zu den ersten Beratungen des Verteidigungsetats

Redeprotokoll:
Protokoll der Bundestagsrede am 12. September 2012:

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihr Vorgänger, Herr Minister, sagte im Mai 2010 vor der Führungsaka­demie der Bundeswehr in Hamburg, dass die zukünftige Streitkräfteplanung durch die Realität des – Zitat – „De­sign to Cost“ bestimmt würde. Was meinte er damit? Die zukünftige Streitkräfteplanung muss sich nicht nur mit dem Fakt beschäftigen, welche Fähigkeiten die Bundes­wehr der Zukunft braucht. Nein, sie muss sich auch mit dem Fakt beschäftigen: Wie kann die Bundeswehr den Vorgaben der Schuldenbremse gerecht werden?

Sie, Herr de Maizière, haben in Ihrer Regierungs-erklärung davon gesprochen, dass Sie die finanziellen Mittel der Bundeswehr mit ihrem Auftrag in Einklang bringen wollen. Heute müssen wir uns angesichts des Etatentwurfs für 2013 die Frage stellen: Hat die Bundes­regierung mit diesem Etatentwurf dieses von Ihnen aus­gegebene Ziel erreicht oder eher verfehlt?

Der Einzelplan 14 wächst und wächst. Er erbringt kei­nen Sparbeitrag. Schaut man sich die mittelfristige Fi­nanzplanung an, dann weiß man, dass er ihn auch nicht erbringen wird. 2016 liegen wir immer noch über sage und schreibe 32 Milliarden Euro. Das sind 4,8 Milliar­den Euro mehr als Ihre ursprüngliche Planung. Kommen Sie jetzt bitte nicht mit Argumenten wie Gehaltserhö­hungen oder BImA-Effekt. Die Tatsache, dass es zu Ge­haltserhöhungen kommt, begrüßen wir selbstverständ­lich. Dass Gehälter von Zeit zu Zeit erhöht werden, kommt für Sie anscheinend so überraschend wie Weih­nachten am 24. Dezember.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nein, die Sparvorgaben in Höhe von 8,3 Milliarden Euro, von denen Karl-Theodor zu Guttenberg einmal sprach, wirken heute eher wie eine Beruhigungspille für die Klientel von Schwarz-Gelb, um die Abschaffung der Wehrpflicht zu rechtfertigen. Die Bundesregierung hat ihren eigenen Anspruch kläglich verfehlt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ernst-Reinhard Beck [Reutlingen] [CDU/CSU]: Das ist aber abenteuerlich!)

Kommen wir jetzt zur eigentlichen Reform. Die Neu­ausrichtung – das stimmt – ist im vollen Gange. Man sieht es im Haushaltsplan an zahlreichen Stellen. Das Kommando Heer wurde gestern aufgestellt. Das Minis­terium wurde im April umstrukturiert. Weitere Änderun­gen kommen im Herbst auf uns zu. Strukturen neu zu denken und zügig umzusetzen, ist die eine Sache. Aber Sie müssen die Soldatinnen und Soldaten und die Zivilbediensteten dabei dringend mit­nehmen. Hier hapert es nach Ansicht meiner Fraktion noch gewaltig.

Bereits im letzten Jahr hat sich gezeigt, dass Sie mit Ihrer Informationspolitik an einigen Stellen nicht hinter­herkommen. Bei größeren Umstrukturierungen wussten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in manchen Fällen teilweise Tage vorher gar nicht, wo sie in Zukunft arbei­ten würden. Wir fordern Sie auf: Legen Sie ein größeres Augenmerk auf die Kommunikation nach innen! Ent­scheiden Sie nicht einfach über die Köpfe Ihres Perso­nals und deren Familien hinweg! Nehmen Sie sie mit!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Thema Beschaffung ist in dieser Debatte bereits angesprochen worden. Hier liegt noch eine Menge Ar­beit vor uns. Das ist eine wahre Großbaustelle. Der Bun­desrechnungshof spricht beispielsweise von Planlosig­keit bei der Beschaffung von Handwaffen. Wenn Sie Geld in Waffen und Gerät investieren, das sich dann als mangelhaft herausstellt und auch noch zu höheren Kos­ten führt, dann wundert es mich nicht, dass der Verteidi­gungshaushalt keinen Konsolidierungsbeitrag erwirt­schaften kann.

Eine weitere Herausforderung liegt in Großprojekten, die aus dem letzten Jahrtausend stammen und bei denen wir nicht mehr sicher sein können, ob wir sie überhaupt noch brauchen. Wir brauchen zum Beispiel nicht unbe­dingt einen Hubschrauber, der gebaut bzw. konzipiert wurde, um eine sowjetische Panzerarmee in Niedersach­sen zu bekämpfen.

Gut und richtig ist, dass Sie, Herr Minister, in Neu­verhandlungen mit der Industrie eingetreten sind. Beim Puma haben Sie eine Reduktion der Stückzahlen er­reicht. Das war zwingend notwendig. Hier darf aber nicht Schluss sein. Wir müssen uns auch den Themen Tiger und NH-90 widmen und auch hier zu einer Redu­zierung der Stückzahlen kommen.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Weniger NH-90?)

Lassen Sie mich, da wir darüber reden, wo bei der Bundeswehr gespart werden und wo man konsolidieren kann, dazu nur zwei Themen ansprechen:

Zunächst einmal komme ich natürlich zum Thema Drohnen. Mir muss einmal jemand erklären, warum die Bundeswehr überhaupt Kampfdrohnen brauchen sollte. Aus meiner Sicht sind sie weder finanzierbar noch sinn­haft an dieser Stelle.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Thema Aufklärungsdrohnen. Herr Koppelin hat sich ja schon geäußert, dass er sich vorstellen könne, dass eine europäische EADS-Drohne entwickelt wird. Wir sollten ernsthaft überlegen, ob wir Aufklärungs­drohnen Aufklärungs­drohnen kaufen oder ob wir das bewährte Leasingmo­dell, das wir in Afghanistan einsetzen, fortführen sollten.

Ich komme zum Schluss.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Was für ein Glück!)

Um im Verteidigungshaushalt tatsächlich einen Konsoli­dierungsbeitrag zu erwirtschaften, müssen wir uns ernst­haft fragen, was überflüssige Fähigkeiten sind. Ähnlich wie die sicherheitspolitisch nicht mehr begründbare Wehrpflicht halten wir auch die nukleare Teilhabe für eine überflüssige Fähigkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mustern Sie Ihre Atombomber endlich aus! Sorgen Sie dafür, dass Deutschland eine atomwaffenfreie Zone wird! Die nukleare Teilhabe ist teuer und überflüssig. Sie dient nicht unserer Sicherheit. Im Gegenteil: Die nu­kleare Teilhabe ist eine Gefahr für unsere Sicherheit. Be­enden Sie diese!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)