Bundestagsrede zum Haushalt für Bildung und Forschung

Redeprotokoll

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Tobias Lindner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Etatberatungen und vor allem Beratungen über den Bildungsetat in dieser durchaus lebhaften Stimmung bei einem der letzten Tagesordnungspunkte am heutigen Tag haben auch immer etwas von Schule und erst recht von Zeugnisvergabe. Wie es bei Zeugnisvergaben so ist: Da gibt es Lob und Tadel.

Ich möchte heute Abend durchaus mit einem Lob beginnen. Der Einzelplan 30 wächst im Jahr 2013 erneut, um 800 Millionen Euro. Das ist eine gute Nachricht, Frau Ministerin. Für diese Nachricht verdient die Bundesregierung erst einmal ein Lob. So ehrlich sind wir gerne. Keine Angst: Es wird das einzige Lob in meinem Beitrag bleiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das war schon mal ein guter Einstand!)

Der Feststellung, die Sie, geschätzter Herr Kollege Haustein, getroffen haben, nämlich dass Deutschland ein schönes Land ist, würde ich durchaus beipflichten. Dass die Koalition sich immer einig ist und bei Ihnen alles immer in Eintracht stattfindet, da hätte ich durchaus meine Zweifel. Über zwei weitere Punkte sind wir uns aber sicher einig: Bildung ist die wichtigste Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Mit Bildung beginnt alles, mit Bildung kann man vieles richtig machen, und was man bei Bildung falsch macht, muss man später an vielen anderen Stellen teuer und teurer korrigieren. Genauso ist richtig – da hätten wir uns durchaus mehr von Ihnen gewünscht –: Der wichtigste Rohstoff der Indus-trienation Deutschland sind Wissen und Forschung. Gerade deshalb sind Mittel in dem Etat für Bildung und Forschung so wichtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir zu den Tadeln. Geld allein macht nicht glücklich, und mehr Geld allein bedeutet noch lange nicht eine bessere Bildungs- und Forschungspolitik; denn es kommt entscheidend darauf an, wo man dieses Geld einsetzt und dass man die Prioritäten auf die richtigen Projekte setzt. Mit bildungspolitischen Irrläufern wie dem Betreuungsgeld und mit der Förderung von Kerntechnik und Genforschung setzt diese Bundesregierung die falschen Schwerpunkte, obwohl sie mehr Geld ausgibt. Das muss ein Ende haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will ein Wort – das ist schon angesprochen worden – zur mittelfristigen Finanzplanung sagen. Es ist gut, dass dieser Etat anwächst, und es mag nicht unbedingt ein Zufall sein, dass im nächsten Jahr eine Bundestagswahl stattfinden wird. Aber wenn man sich die mittelfristige Finanzplanung in vielen Bereichen anschaut, dann setzt man doch einige Fragezeichen hinsichtlich dessen, was nach dem Jahr 2013 kommen wird. Man könnte auch sagen: Man fragt sich ernsthaft, ob der Etat 2013 nicht nur Kosmetik ist. Nachhaltige, langfristige Finanzierung im Bereich Bildung und Forschung sieht anders aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich habe über falsche Prioritäten gesprochen. Ich möchte wegen der Kürze der Zeit das, was ich meine, an vier Beispielen kurz ausführen. Der erste Punkt ist das nationale Stipendienprogramm. Obwohl sich die Anzahl der vergebenen Stipendien erhöht hat

(Patrick Meinhardt [FDP]: Verdoppelt!)

– verdoppelt, das will ich durchaus konzedieren –, liegen wir immer noch bei nur 11 000 Stipendien angesichts von 2,3 Millionen Studierenden in diesem Land. Bildungsgerechtigkeit sieht anders aus. Mit anderen Worten: Das Deutschlandstipendium ist ein Ladenhüter. Das würden Sie noch nicht einmal am Grabbeltisch jetzt in der Weihnachtszeit loswerden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir, Bündnis 90/Die Grünen, möchten diese Mittel verwenden, um mehr Geld für das BAföG bereitzustellen. Wir möchten höhere Frei- und Förderbeträge. Ich füge hinzu: Wir möchten auch lebenslanges Lernen ernst nehmen. Wir müssen schauen, dass wir den Einstieg in ein Erwachsenen-BAföG hinbekommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD])

Mein zweiter Punkt betrifft den Hochschulpakt. Es ist begrüßenswert, dass die Studierendenzahlen in Deutschland steigen. Wir und viele Experten glauben, dass die Studierendenzahlen auf einem hohen Niveau verharren werden, dass wir es nicht mit einem Gipfel bei den Studierendenzahlen zu tun haben, sondern mit einem Hochplateau. Dieser Erkenntnis, Frau Ministerin, wird der Hochschulpakt nicht gerecht. Hier bedürfte es gerade vom Bund eines Signals – ich will durchaus zugestehen: auch von den Ländern –, und hier müsste man einen stärkeren Schwerpunkt setzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dritter Punkt. Ich will zum Thema Lernfähigkeit und zu einem vermeintlich großen Erfolg der Großen Koalition kommen, dem Kooperationsverbot. Ich bin froh über die Lernfähigkeit der Sozialdemokraten. Ich glaube, wir sind uns einig, dass das Kooperationsverbot fallen muss. Es darf aber nicht nur im Bereich Forschung fallen, es darf nicht nur punktuell fallen, sondern es muss in der gesamten Bandbreite des lebenslangen Lernens fallen. Wenn wir über mehr inklusive Bildung reden wollen, über mehr Ganztagsschulen, dann muss auch an dieser Stelle das Kooperationsverbot fallen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Meinen vierten und letzten Punkt könnte ich überschreiben mit: Anwendung von gelernten Fähigkeiten, Merkfähigkeit oder Teamfähigkeit. Meine Fraktion hat im Haushaltsausschuss einen Antrag zu Open Source eingebracht. Darin geht es darum, dass wir dann, wenn wir staatliche Fördergelder für die Forschung bereitstellen, wollen, dass die Ergebnisse in einer Datenbank gesammelt werden und öffentlich zugänglich sind und nicht ausschließlich in teuren Fachjournalen publiziert werden. Das Problem ist: Wir haben diesen Antrag fast wortwörtlich abgeschrieben. Ich will hier gern gestehen, dass er durchaus ein Plagiat sein mag. Wir haben in diesem Antrag eine Forderung aus der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ übernommen. Wenn ich es richtig im Kopf habe, dann hat die Koalition diese Forderung dort mitgetragen. Im Haushaltsausschuss konnten Sie sich anscheinend nicht mehr daran erinnern. Ich bedauere sehr, dass Sie diesen Antrag abgelehnt haben.

Ich komme zum Schluss. Sie wollen mit dem Etatentwurf 2013 ein letztes Mal Rekordausgaben präsentieren. Mehr Geld allein macht nicht glücklich. Sie setzen die falschen Schwerpunkte. So wird das nichts mit der Bildungsrepublik, Frau Ministerin. Angesichts dieser Leistung ist Ihre Versetzung im nächsten Jahr akut gefährdet. Wir Grüne haben aufgezeigt, wo wir es besser gemacht hätten. Dem sind Sie nicht gefolgt, und deshalb lehnen wir Ihren Etatentwurf ab.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)